Von Pass zu Pass
8. Juli 2021 – Dres Balmer
Velofahren in sanftem Gelände ist gesund, verschafft stolze Gefühle, macht glücklich. Wer sich dann auf Passstrassen wagt, erlebt eine Vervielfachung dieser Phänomene. Novizinnen und Novizen können auch mit dem E-Bike beginnen.
Wir ahnen es: Hier spricht ein Freak, ein Passionierter, einer, der auf dem Sattel die Welt bereist und die Fülle seiner Erlebnisse in zahlreichen Reisebüchern niedergeschrieben hat: Dres Balmer, Schriftsteller und Publizist aus Grindelwald. Seine Schilderungen handeln von beglückenden Rauschzuständen.
Das Radfahren bringt die Person, die auf dem Velo sitzt, in gute Laune.
Dres Balmer
«Velofahren ist etwas Schönes. Was heisst das? Es belebt die Atmung, beschwingt den Herzschlag, wärmt die Muskulatur, bringt den Schweiss auf dem Körper hinaus auf die Haut. Velofahren vergrössert den Appetit bis zur Fresslust, ohne dass man fett wird, es sichert verstopfungsfreie Verdauung, es fördert Libido ebenso wie tiefen Schlaf.
Gute Laune, neue Ideen
Vermeintlich simplen Vorgängen verleiht das Radeln neue Dimensionen. Schlichtes Wassertrinken aus dem Plastikbidon ist nicht bloss das Erfüllen des körperlichen Flüssigkeitsbedarfs, es wird jedes Mal, Schluck um Schluck, ein gierig-lustvoller Überlebensakt. Alle diese Phänomene gehören zum Stoffwechsel, sind also körperliche Vorgänge. Die Auswirkungen des Velofahrens gehen aber weiter, sie greifen über den Geist und die Seele. Das Radfahren bringt die Person, die auf dem Velo sitzt, in gute Laune; während langer, einsamer Fahrten über Land kann sie gut nachdenken, über die abwegigsten Dinge spinnen, es entstehen verrückte Ideen, die ihr sonst nie einfallen würden. Der Mensch auf dem Velo erreicht den Einklang von Körper, Geist und Seele. Noch lustiger ist das, wenn mehrere Menschen miteinandeer unterwegs sind. Die Gespräche werden einfacher, die ausgetauschten Sätze kürzer, die Damen und Herren unterwegs haben aber auch ohne grosse Worte ein starkes gemeinsames Erlebnis.
Wer sich auf Passfahrten wagt, erhöht und intensiviert diese Erscheinungen. Das kann so gehen: Ich starte, sagen wir in Sion, mache mich auf zum Sanetschpass, und schon fallen mir so unsinnige Dinge ein wie etwa Höhenangaben, an die ich gescheiter gar nicht dächte. Doch ich denke Sion 491, und ich denke Sanetsch 2252, dabei bin ich erst in der ersten starken Rampe am nördlichen Stadtausgang.
Kräfte einteilen
Jetzt nicht zu schnell losfahren. Ich weiss, dass ich an einem der härtesten Brocken in den Alpen 28 Kilometer und 1761 Höhenmeter in die Höhe kurbeln werde. Denke ich zu viel darüber nach, rutscht mir die Moral in die Socken.
Ich darf mir nicht zu viele Gedanken machen, muss aber die Kräfte einteilen. Ich will nicht einfältigen Leistungssport treiben, sondern mich spielerisch bewegen, in einer kleinen Übersetzung einen hohen Rhythmus kurbeln, darauf hören, ob ich keuche, und, wenn ja, einen leichteren Gang einlegen. Wenn ich das Blut in den Schläfen pochen fühle, ist es kein gutes Zeichen.
Zur Person
Dres Balmer wurde 1949 in Grindelwald geboren und lebt heute in Bern. Er wirkt als Schriftsteller, Publizist und Reisejournalist für verschiedene Zeitschriften, Zeitungen und Radiosender. Zuvor war er als Lehrer und Gelegierter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) tätig. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört «Route 66 — mit dme Fahrrad von Chicago nach Los Angeles».
Ein Stück freier
Die Strasse windet sich Kurve um Kurve steil durch die Felslandschaft hinauf, mit jedem freien Blick ins Tal hinunter sieht man, dass man ein Stück höher gesteigen, ein Stück freier geworden ist. Das erzeugt im ganzen Menschen einen beglückenden Rauschzustand. Mann oder Frau hat einen guten Rhythmus, der Bergrausch ist etwas Körperliches, Geistiges und Seelisches zugleich. Der Mensch auf dem Velo fühlt sich eins mit der dramatischen Topografie, eins mit seiter Strasse, eins mit seiner Maschine.
Das Velo, dieses Insekt aus Karbon, achtmal leichter als der Mensch, setzt die Anstrengung des Muskeln, des Geistes und der Seele um in Fortbewegung, zwischen den Felsen hinauf. So verschafft das Velo mit seiner metaphysischen Nähe zur Immaterialität dem Menschenkind das höchste Gefühl glückseligen Arm-Leben-Seins.
Velofahren ist schön, Passvelofahren noch viel schöner.
Dres Balmer
Vor der Haustüre — Zurück auf die Erde! In den Schweizer Alpen gibt es, von A wie Albula über N wie Nufenen bis U wie Umbrail, 20 Strassenpässe, die mehr als 2000 Meter über Meer erreichen. Dieses schöne Inventar erweitert sich durch hübsche Exemplare in den Voralpen und im Jura. Pass-Novizinnen und -Novizen mssen sich zu Beginn ja nicht gleich mit den schweren Brocken anlegen. Für Premieren eignen sich etwa die beiden Hauensteine im Jura, der Vol du Pillon oder der fast 2000 Meter hohe Hahnenmoospass. Hahnenmoospass? Der erhebt sich ja hier, gleich vor der Haustüre. Worauf waren wir noch? Fahren wir los!»
Passfahren mit Dres Balmer
«Fahren wir los!», ruft uns Dres Balmer am Ende seines Textes zu. Das meint er ernst. An drei Samstagen, nämlich am 24. Juli, 14. August und am 18. September, nimmt Sie der leidenschaftliche Velofahrer auf eine sportliche Ganztagestour mit: Adelboden-Frutigen- Wimmis-Zweisimmen-Lenk-Büelberg-Hahnenmoospass -Adelboden – insgesamt 100 Kilometer. Die beachtlichen 2000 Höhenmeter im Aufstieg können auf dem Rennvelo, dem Mountainbike oder Elektrovelo bezwungen werden. Auf der alten Adelbodenstrasse geht es zuerst in scharfen Rampen in die Höhe, der Blick übers Tal wird immer weiter und schöner. Sportlich rollt es sich dann die Kander entlang bis Wimmis, dann weiter auf der Route 9 von Veloland Schweiz über Zweisimmen bis Lenk. Dort pausieren Sie bei einem feinen Fleisch- und Käseplättli im komfortablen Hotel Lenkerhof. Wer Batterien hat, lädt sie hier auf. Nach dieser Stärkung geht’s bergwärts, über den Büelberg auf den Hahnenmoospass. Wer will, nimmt von Lenk zum Büelberg samt Velo den Bus, spart so 8 Kilo- und 600 Höhenmeter Aufstieg. Vom Hahnenmospass nur noch talwärts rollen – es ist nicht mehr weit bis ins «Bellevue».
Für Hotelgäste
CHF 65.— mit Bellevue-Picknick und Verpflegung im Hotel Lenkerhof
CHF 113.— inkl. Miete E-Bike
Für externe Gäste
CHF 75.— inkl. geführte Tour mit Bellevue-Picknick und Verpflegung im Hotel Lenkerhof (exkl. E-Bike oder Bike)
Treffpunkt jeweils um 7.30 Uhr in der Halle des Hotels.
Individuelle Tour
Die Tour — auch in verkürzter From oder in umgekehrter Richtung — kann ebenfalls individuell gemacht werden. Beliebt ist auch die Fahrt über den Hahnenmoospass in die Lenk und zurück. Das Laden der Batterien für E-Bike-Fahrer und -Fahrerinnen kombinieren Sie am besten mit einem Zvieriplättli im Hotel Lenkerhof in der Lenk oder im Restaurant Bühlberg. Preise siehe oben.