Den Hobbyköchen in die Töpfe geschaut
28. Juli 2016 – Mit Jürgen Willing sprach Franziska Richard
Beide kochen auch nur mit Wasser. Und doch gehen Hausfrauen und Berufsköche unterschiedlich zu Werke. Küchenchef Jürgen Willing kennt die Unterschiede und verrät seine Tricks.
Herr Willing, es gibt kaum einen grossen Koch, der in der Öffentlichkeit nicht von der Küche seiner Mutter schwärmt.
Hinter vielen guten Köchen steht tatsächlich oft eine Mutter, die Vorbild war. Es sind oftmals auch die Mütter, die den Köchen den Anstoss zur Kochkarriere geben. Das war auch bei mir so. Mit dem Essen der Mutter wächst man auf, natürlich schwingen auch nostalgische Gefühle mit, da viele Mütter noch nach alten Rezepten kochen.
Was kocht Ihre Mutter denn besonders gut?
Geschmorte Rinderroulade mit Kartoffelklössen, einfach wunderbar! Als Koch steht man fünf Tage am Herd und ist um Perfektion bemüht. Da ist es wohltuend, auch mal etwas Familiäreres zu essen. Viele Köche haben das Einfache und Bodenständige am allerliebsten.
«Hinter vielen guten Köchen steht oft eine Mutter, die Vorbild war.»
Sie auch?
Ja, ein Pasta-Gericht, einen Risotto, ein Fondue oder ein grilliertes Stück Fleisch. Das esse ich sehr gerne. Wie kann man mit guten, einfachen Produkten eine hochstehende Küche führen? Diese Frage interessiert mich natürlich auch als Berufskoch. In der Bellevue-Küche servieren wir nicht lediglich die Edelstücke, sondern auch sorgfältig Geschmortes von einheimischem Rind und Kalb. Gerne und oft auch vegetarische Gerichte aus der südländischen Küche.
Stehen Sie auch zu Hause am Herd?
Nein, meine Frau. Wenn wir Gäste haben und es aufwendig sein soll, koche meistens ich.
Ticken Männer am Herd anders als Frauen?
Ich sehe keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Sicher gibt es andere Unterschiede. Wer das Kochen als Beruf erlernt, kocht handwerklicher und technischer. Wer es überliefert mitbekommt, intuitiver. Zu Hause darf ja auch mal was misslingen.
Können Sie ein paar Ihrer Tricks verraten?
Das sind ganz einfache Dinge. Beispielsweise, dass stark gesalzenes Wasser die Farbe und den Geschmack des Gemüses intensiviert, ohne dass dieses dabei versalzen schmeckt. Für eine intensive Farbe hilft auch das Abschrecken in Eiswasser. Schwarzwurzeln kommen bei mir nach dem Schälen in eine Mehl-Wasser-Lösung, so werden sie nicht braun.
Was ist zu tun, wenn man geschmacklich auf Irrwege gerät?
Wenn einmal was zu scharf gerät, korrigiere ich mit etwas Zucker. Weissen Spargel koche ich immer mit einer harten Semmel, denn das Brot saugt die Bitterstoffe auf.
«Das Stochern mit der Gabel in der Teflonpflanne ist eine typische Hausfrauensünde.»
Gibt es Hausfrauensünden?
Das Stochern mit der Gabel in einer Teflonpfanne ist eine. Oder Gemüse in nicht reichlich und nicht kochendem Wasser aufsetzen. Auch zu dicke oder zu dünne Saucen. Es gibt bessere Saucenbinder als Maizena und Mehl. Zum Beispiel kalte Butter, Eigelb mit Rahm, Mehlbutter oder einfach einkochen lassen.
Was können Hausfrauen und -männer bei den Berufsköchen sonst noch abgucken?
Im Privathaushalt werden oftmals falsche Gewürze verwendet, zu viele. Gerade beim Fleisch reichen oft Salz und Pfeffer. Wird Fleisch zu früh gesalzen, zieht es Wasser. Wir Berufsköche garen Fleisch auf den Punkt. Im Privathaushalt wird oft gegart und gegart, wodurch jedes Fleisch zur Ledersohle wird. Saucen, Braten und Ragouts geraten den Berufsköchen deshalb gut, weil sie auch die Fleisch- und Gemüseabschnitte mitbraten.
Das beste Fleisch geht eh in die Gastronomie.
Das stimmt. Je besser und renommierter der Koch ist, desto sorgfältiger beliefert ihn sein Lieferant. Da geht es auch um Prestige. Was allerdings nicht heisst, dass man als Konsument keine guten Produkte erhält. Es lohnt sich, bei einem vertrauenswürdigen Metzger einzukaufen. Eine Alternative ist, das Fleisch direkt beim Produzenten zu beziehen.
Hausfrauen, so sagt man, kochen gesundheitsbewusster als die Berufsköche.
Das war früher mal so. Heute achten auch wir sehr stark auf die Gesundheit, auch darauf, dass wir leicht kochen. Ich bin immer enttäuscht, wenn ein Essen schwer ist und mich müde macht.
Haben auch Berufsköche ihre Marotten?
Gewisse Berufsköche haben einen Hang zum Verschwenderischen, besonders bei der Energie. Man lässt alles «volle Pulle» laufen. Mit den leistungsfähigen Herden ist die Verlockung gross, mit sehr viel Hitze zu arbeiten. Eine Marotte ist auch der verschwenderische Umgang mit Kochgeschirr. Zu Hause kann man eben nicht delegieren. Frauen kochen insgesamt effizienter, wenn man bedenkt, dass sie mit Haushalt, Kinderbetreuung und -erziehung sehr vieles unter einen Hut bringen müssen.
«Gewisse Berufsköche haben einen Hang zum Verschwenderischen.»
Schliesslich greifen den Frauen ja auch die Gerätehersteller kräftig unter die Arme. Während sich der Berufskoch viele Fertigkeiten über die Jahre aneignet, werden die Hausfrauen mit ausgeklügelten Werkzeugen ausgerüstet. Die Zwiebelhacke ist so ein Gerät. Warum wollen Köche von diesem wunderbaren Instrument nichts wissen?
Wir sind mit dem Messer einfach schneller, so einfach ist das. Kommt hinzu, dass mit der Hacke die Zwiebelstücke zerquetscht werden und der Zwiebelsaft ausläuft. Die Mandoline hingegen ist ein wunderbares Gerät.
Was halten Sie vom Haushaltsklassiker Teflonpfanne?
Das ist für vieles eine tolle Pfanne, nur eignet sie sich nicht für das Braten von Fleisch.
Umgekehrt schwören Köche auf Sauteusen. In Privathaushalten ist die Chromstahlbratpfanne eine Rarität.
Eigentlich unverständlich. Sie ist handlich, klein und hat unendlich viele Vorteile. In dieser Pfanne kann man wunderbar Fleisch braten und Saucen ziehen. Neben dem Glasieren und Sautieren eignet sie sich auch zum Dünsten von Gemüse oder für einen Risotto.
Welche anderen Kochinstrumente sind für Sie ein Must?
Scharfe Messer, Pürierstab und die Grillpfanne.
In der Gastroküche ist alles offen.
Chuchichäschtli sind bei uns tabu. Alles ist griffbereit. Moderne Küchen im Privathaushalt gleichen sich immer mehr den Gastroküchen an. Der Herd als Herz im Zentrum. So macht Kochen Spass.
Zur Person | Nach Abschluss einer Kochlehre und nach fünfjähriger Berufspraxis in traditionsreichen Gasthöfen in Deutschland zog es Jürgen Willing (45) in die gehobene Gastronomie, bald auch über die Grenze in die Schweiz. Er verdiente seine Sporen in namhaften Gourmetrestaurants in Deutschland und der Schweiz ab. Seit 2003 führt er die Bellevue-Küche mit Unterstützung des Adelbodner Sous-Chefs Peter Hari. Jürgen Willing ist verheiratet und Vater eines schulpflichtigen Sohnes.